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Planung / Budgetierung - Problemstellung & Relevanz
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Kann die Budgetierung im Mittelstand ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen?
Komplexität und Dynamik
„Die Komplexität der durch die Unternehmensführung zu lösenden Probleme
nimmt zu, erfordert also Planung, während die Dynamik der Umwelt wächst und
schnellere Anpassungsfähigkeit verlangt. Wir stehen also vor dem Dilemma,
dass Planung aufgrund wachsender Komplexität immer notwendiger wird,
gleichzeitig aber die Chancen erfolgreicher Planung abnehmen.“1
Unter Komplexität fallen Unternehmensgröße, Heterogenität der Prozesse aus interner
Sicht und Verschiedenartigkeit der Betätigungsfelder, Kunden und Wettbewerber im
Umfeld. Die Dynamik ist durch die Veränderlichkeit dieser Faktoren bestimmt.2
Die Zunahme der Komplexität ist begründet in wachsenden Unternehmensgrößen,
immer mehr Produkt- und Marktdiversifikation und die daraus resultierende
Dezentralisierung und die dadurch entstehenden Lenkungs- und
Koordinationsprobleme. Ein weiteres Problem ist die steigende Wahrscheinlichkeit des
Eintretens unerwarteter Ereignisse, welche sich durch den raschen Wandel unserer Zeit
stark erhöht. Somit ist eine hohe Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit gefordert.
Aufgaben der Budgetierung
Die Budgetierung stellt die kurzfristige Planungsrechnung nach den Vorgaben der
strategischen Planung zur Verfügung.3 Es entsteht „ein formalzielorientierter, in
wertmäßigen Größen formulierter Plan, der einer Entscheidungseinheit für eine
bestimmte Zeitperiode mit einem bestimmten Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird“ .4
Die Aufgaben der Budgetierung gliedern Weber und Schäffer in folgende Funktionen:5
- Prognose zukünftiger Entwicklungen
- Koordination von Teileinheiten und deren Handlungen
- Motivationswirkung der Budgetierung
- Kontrolle der Budgeteinhaltung
Diese Funktionen finden sich auch in den Definitionen der Budgetaufgaben der meisten
weiteren Autoren wieder.
Probleme und Kritik
Durch die oben erwähnten Entwicklungen ist die Erfüllung dieser Aufgaben gefährdet.
Dies unterstreichen auch die in der Literatur anzutreffenden Kritikpunkte und Probleme
der operativen Unternehmensplanung. Hier einige Beispiele:6
- Geringe Planungsqualität, unzuverlässige Planwerte
- Keine marktadäquaten, angemessenen, rein innenorientierte Zielhöhen und
Planwerte
- Lücke zwischen Strategie und Budgetierung
- Year-End-Denken
- Unflexible Planungssysteme, Unternehmen werden durch Budgets unflexibel
- Keine steuerrelevanten Daten, keine aktuellen Zahlen während des Jahres,
Fokussierung auf finanzielle Steuergrößen
- Budgetierung beeinflusst die Motivation negativ, Misstrauen entsteht
- Keine Lerneffekte durch Budgetierung
- Zu hoher Aufwand im Vergleich zum Nutzen
- Dysfunktionale Effekte (Schönen von Ist-Zahlen, Bufferplanung, poltitische
Budgetspiele)
Aktuelle Diskussion
Basierend auf dieser Problematik, wird aktuell eine intensive Diskussion über die
Notwendigkeit und Ausgestaltung der Budgetierung geführt. Es gibt dazu zwei
wesentliche Gruppierungen. Einmal die Vertreter der Meinung, dass Unternehmen ohne
feste Budgets besser und erfolgreicher geführt werden können und die Gruppe
derjeniger, welche eine evolutionäre Verbesserung der operativen
Unternehmensplanung bevorzugen.
Als eine der bekanntesten Aussagen zum Thema Budgetierung gilt sicherlich die von
Jack Welch.
„The budget is the bane of corporate America.“7
Bei der von Hope und Fraser propagierten Abkehr von der Budgetierung, dem Beyond
Budgeting, wird durch die Fokussierung auf Absatzmärkte, intellektuelles Kapital, das
Vorhandensein und die erfolgreiche Umsetzung von Strategien versucht die
Unternehmenssteuerung effektiver und effizienter zu gestalten.8
Auf Basis einer Fallstudienuntersuchung von Unternehmen, welche keine klassische
Budgetierung einsetzen, wurden von Hope und Fraser 12 Prinzipien entwickelt und in
zwei Gruppen, in die Unternehmenskultur/–struktur und in den Management-
/Controllingprozess, welche als Kern die Abkehr von der herkömmlichen Budgetierung
beinhalten, gegliedert.9
Unter dem Titel Better Budgeting finden sich verschiedene Versuche die Budgetierung
zu reformieren.
Horváth fasst die Konzepte als „systematische Beschleunigung, Vereinfachung und
Flexibilisierung der traditionellen Budgetierung“10 zusammen.
Der Ansatz des Advanced Budgeting versucht mittelfristig die Bedeutung von Budgets
zu reduzieren ohne auf sie zur Unternehmenssteuerung zu verzichten. Er stellt eine
Verbindung der Ansätze des Beyond Budgeting und des Better Budgeting dar.11
Es gibt zu den aktuellen Kritikpunkten in der Budgetierung also durchaus Lösungen,
welche in neuen Konzepten zusammengefasst werden. Die einzelnen Lösungsansätze
erscheinen hierbei nicht immer als neu, meist ist lediglich die Zusammenstellung oder
die Benennung eines Paketes noch nicht da gewesen.
Relevanz für den Mittelstand
Es wird der Anschein erweckt, dass die Diskussion hauptsächlich die Probleme von
Konzernen beleuchtet. Man muss nicht ausdrücklich erwähnen, dass in
Großunternehmen die Komplexität der Planung aufgrund der Größe eine viel höhere ist
als in mittelständischen Unternehmen. Durch die voranschreitende Internationalisierung,
welche vor Mittelstandsunternehmen nicht Halt macht, und die
Einbettung in meist hoch dynamische Umfelder, stehen auch mittlere Unternehmungen
vor dem Problem der effektiven und effizienten Gestaltung der operativen
Unternehmensplanung. Besonders zu unterstreichen sind die sehr begrenzten
Ressourcen, die der operativen Planung in kleineren Unternehmungen zur Verfügung
stehen, und die daraus resultierende Anforderung höchster Effizienz der
Planungssysteme.
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1Szyperski 1974, S. 683 zit. nach Horváth in Horváth/Gleich 2003, S. 3
2vgl. Weber/Linder 2003, S. 32
3vgl. Egger/Winterheller 2004, S. 59
4Horváth 2003, S. 231
5vgl. Weber/Schäffer 2006, S. 264
6vgl. Horváth in Horváth/Gleich 2003, S. 4ff und Weber/Linder 2003, S. 12f und Weber/Schäffer 2006,
S. 272 und Gleich/Kopp/Leyk in Horváth/Gleich 2003, S. 315f
7Welch in Loeb 1995, Fortune Magazine
8vgl. Leyk/Kopp in Horváth & Partners 2004, S. 24
9vgl. Weber/Linder 2003, S. 21
10Horváth in Weber 2003, S. 7
11vgl. Leyk/Kopp in Horváth & Partners 2004, S. 55f
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